Der Autor, Literatur- und Musiktheoretiker Florian Neuner (Berlin) hat die Radiosendung Eigentumsverhältnisse: Wem gehört die Musik? für Deutschlandfunk Kultur gemacht, die ab dem 9.2.2021 gehört werden kann. Im letzten Drittel der Sendung (ab 40:00 und ab 49:26) darf ich über die Geschichte und Theorie des geistigen Eigentums und Herausforderungen für das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft reflektieren. Eine spannende Sendung, gerade die Berichte und Reflexionen von Musiker:innen und Musiktheoretiker:innen waren für mich sehr anregend!
Tag Archives: Urheberrecht & Immaterialgüterrecht
„Tipping Points“: Veröffentlichung zu Urheberrecht und Netzliteratur
Das Berliner Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft in Berlin hat gemeinsam mit dem Fachausschuss der GMM im Februar 2020 die Konferenz Tipping Points – Zum Verhältnis von Freiheit und Restriktion im Urheberrecht organisiert (übrigens die letzte, die ich vor der Corona-Pandemie noch vor Ort besuchen durfte). Die Tagung war bereits sehr anregend, weil ich dort u.a. mit Rechtswissenschaftlern wie Prof. Dr. Axel Metzger (HU Berlin; Gründungsdirektor des Weizenbaum-Instituts) und Prof. Dr. Martin Kretschmer (Glasgow; Direktor von CREATe) sprechen konnte, was sehr interessant war.
In rekordverdächtiger Schnelligkeit ist nun der Tagungsband Tipping Points. Interdisziplinäre Zugänge zu neuen Fragen des Urheberrechts beim Nomos Verlag open access veröffentlicht worden, die Herausgeber:innen Simon Schrör, Georg Fischer, Sophie Beaucamp und Konstantin Hondros haben sehr gute Arbeit geleistet. Die Beiträge beschäftigen sich u.a. mit Künsten wie der Literatur und der Musik, mit Plattformen wie TikTok, Institutionen wie den Verwertungsgesellschaften sowie Rechtsinstituten wie der DSM-Richtlinie. Mein Beitrag reflektiert Crowdfunding und Crowdsourcing in der Praxis: Neue Geschäfts- und Rechtsmodelle der Netzliteratur.
Vom Urheber zur Crowd, vom Werk zur Version, vom Schutz zur Öffnung? Linkliste zu meinem Marburger Vortrag #gfm14 über wiss. Publizieren in digitalen Medien
Heute spreche ich auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zum Thema Medien/Recht an der Philipp-Universität Marburg. Es ist eine hochgradig spannende Tagung, bei der man kaum weiß, welches der vielen Parallelpanels man lieber besuchen würde – einen Einblick mögen Ihnen auch die Tweets zur Konferenz geben.
Da ich mich in meinem Vortrag im Panel 4.1. Kollektive Autorschaft, Archive (Film, Musik, Wissenschaft) zum Thema Vom Urheber zur Crowd, vom Werk zur Version, vom Schutz zur Öffnung? Wissenschaftliches Publizieren in digitalen Medien auf verschiedene online verfügbare Quellen berufen werde, die Sie individuell sichten sollten, während ich vortrage, finden Sie hier die entsprechende Linkliste:
Allgemeine Links zum Vortrag
- https://twitter.com/hashtag/gfm14 (Hashtag unserer Konferenz)
- http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/ (Das deutsche Urheberrecht)
- https://www.thomasernst.net/Thomas_Ernst_2014_Passau_DHd2014_Digitales_Publizieren.mp3 (Audio-Vorversion des Vortrags von der DHd-Konferenz 2014 in Passau)
Beispiele für kollaboratives Schreiben und Social Reading in einer digitalen Wissenschaft
Interaktives Weblog unter CC-Lizenz
Vernetzte Wissenschaftskommunikation in Sozialen Medien
(Teilweise anonyme) Bearbeitung konkreter Forschungsfragen auf kollaborativen Online-Plattformen
Transparente Academic Social Reading- und Commenting-Plattformen
- http://mcpress.media-commons.org/plannedobsolescence/introduction/ (Menüpunkt „Comments“)
Video-Dokumentation des Workshops „Nach dem geistigen Eigentum?“
Die studentische Webredaktion unseres Essener MA-Studiengangs “Literatur und Medienpraxis” hat aus den sechs Stunden Videomaterial eine achtminütige Kurzzusammenfassung des Workshops “Nach dem geistigen Eigentum? Digitale Literatur, die Literaturwissenschaft und das Immaterialgüterrecht” geschnitten, die Ihnen einen ersten Einblick in die Präsentationen und Diskussionen geben:
Dank der fabelhaften Unterstützung durch die Essener Medientechnik (ein Dank an Jochen Ehlert und Ralf Wassermann!) stehen auch die kompletten Präsentationen und Diskussionen des Workshops zur Nachbetrachtung auf den Workshopseiten www.uni-due.de/ndge/livestream zur Verfügung. Sie finden dort die folgenden Video- und Audiodateien:
- Prof. Dr. Rolf Parr (Studiengangleiter ‚MA Literatur und Medienpraxis‘ an der Universität Duisburg-Essen): »Grußwort« (4:36, Video, Direktlink zu div. Dateiformaten in DuEPublico)
- Dr. Thomas Ernst (Universität Duisburg-Essen): Vortrag zum Thema »Nach dem geistigen Eigentum? Die Literaturwissenschaft und das Immaterialgüterrecht« (26:24, Video, Direktlink zu DuEPublico)
- Dirk von Gehlen (Süddeutsche Zeitung, Leiter Social Media/Innovation): Vortrag und Diskussion zum Thema »War Crowdfunding besser als Suhrkamp? ‚Eine neue Version ist verfügbar‘ – Probleme und Potenziale digitaler Buchveröffentlichungsformen« (59:17, Video, Direktlink zu DuEPublico)
- Klaus-Peter Böttger (Präsident EBLIDA/Leiter Stadtbibliothek Essen): Vortrag und Diskussion zum Thema »Warum das Urheberrecht ein Problem für die ›Onleihe‹ ist. Oder: Was macht für Bibliotheken den Unterschied zwischen einem Kauf und einer Lizenz aus?« (54:09, Video, Direktlink zu DuEPublico)
- Prof. Dr. Katharina de la Durantaye (Humboldt-Universität Berlin): Vortrag und Diskussion zum Thema »›Geistiges Eigentum‹ vs. Immaterialgüterrecht. Rechtswissenschaftliche Perspektiven für die Literaturwissenschaft« (46:00, Audio, Direktlink zu DuEPublico)
- Podiumsdiskussion zum Thema »Digitale Literaturen, Geschäftsmodelle digitalen Publizierens und das Immaterialgüterrecht. Probleme und Perspektiven« mit den Diskutanten: Prof. Dr. Hermann Cölfen (Kustos der Germanistik an der Universität Duisburg-Essen; Gründer des Universitätsverlags Rhein-Ruhr), Dorothee Graf (Fachreferentin Germanistik der Universitätsbibliothek der Universität Duisburg-Essen), Matthias Spielkamp (Projektleiter iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt), Dr. Paul Heinemann (Lektor des Olms Verlag, Hildesheim), Moderation: Dr. Thomas Ernst (1h40, Video, Direktlink zu DuEPublico)
- Sehen Sie auch den Kurzbericht zum Workshop von Esther Kalb für das Weblog Digitur – Literatur in der digitalen Welt.
Zwischen Geistesarbeit und Aschenbrödeltum: Die Professionalisierung der Autorschaft zwischen 1800 und 1933. Eine Rezension für IASLonline
Seit dem 12.4. ist meine Rezension des Buches Autorschaft. Eine kurze Sozialgeschichte der literarischen Intelligenz in Deutschland zwischen 1860 und 1930 von Rolf Parr (Heidelberg: Synchron, 2008) auf IASLonline zu lesen. Parrs Buch zeigt unter anderem, dass es höchst problematisch ist,
„in aktuellen Debatten um das Urheberrecht und das ›geistige Eigentum‹ mit dem Autor zu argumentieren, dessen Rechte es zu schützen gelte. Die Suggestion, dass – angesichts der Möglichkeiten der digitalen Kopie – nur mit dem bestehenden Urheberrecht und einer Bewahrung des Mediums Buch der Fortbestand hochklassiger Literatur zu gewährleisten sei, impliziert die Unterstellung, dass Buchautoren im Regelfall vom Ertrag ihrer urheberrechtlich geschützten Werke gut leben konnten. Parrs Buch macht jedoch deutlich, dass selbst viele heute kanonisierte Autoren zu einer ›Mischkalkulation‹ gezwungen waren. Bereits in der Gutenberg-Galaxis gestalteten sich somit die Bilder der Autorschaft und ihre Verdienstwege widersprüchlich – und die meisten ›Geistesarbeiter‹ schrieben damals aus einem ›Aschenbrödeltum‹ heraus, das heute als ›junges Medienprekariat‹ wiederkehrt, was die gegenwärtige Situation natürlich keineswegs schöner macht.“
Online-Petition zu Open Access – das Kind mit dem Bade?
Vor einiger Zeit habe ich mich ausführlich mit den Folgen des digitalen Zeitalters für die Literatur, die Wissenschaft und ihre Veröffentlichungspraxis beschäftigt und einige Resonanz auf meinen Kulturrevolutionären Appell erhalten. Aktuell gewinnt das Thema weitere Brisanz, da dem Deutschen Bundestag die Petition Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen vorgelegt worden ist, die den Bundestag davon überzeugen will,
“dass wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein müssen.”
Kulturrevolutionärer Appell. Für eine Nutzung der digitalen Publikationsmöglichkeiten und die produktive Koexistenz von Buchkultur und Internet
Wir erleben seit einigen Jahren den Beginn eines digitalen Zeitalters, das bereits weitreichende Folge für alle anderen Medien – wie Buch, Fernsehen, Fotografie – hat und in Zukunft noch größere haben wird. Als Literaturwissenschaftler und Autor hat mich in den vergangenen Monaten geärgert, wie einerseits die ‘Netzenthusiasten‘ im Sinne einer naiven Utopie suggerieren, dass mit einem neuen Medium wie dem Internet zugleich auch alles besser werde, und wie andererseits die Verteidiger der analogen Medienwelt so tun, als könne man dem digitalen Zeitalter entweichen und irgendwie doch noch den medialen Status quo bewahren.
Viele meiner liebsten, klügsten und besten Kolleginnen und Kollegen aus der literaturwissenschaftlichen Welt haben in letzterem Sinne den Heidelberger Appell unterzeichnet, den wiederum seine Online-Kritiker als “haarsträubend wie gefährlich” (Matthias Spielkamp) oder auch “feudalistisch” (Peter Glaser) brandmarken. Wenn man sich mit einzelnen Appell-Unterzeichnern ausführlicher unterhält, wird schnell deutlich, dass die dichotomische Gegenüberstellung von Buch versus Internet, geistigem Eigentum versus digitaler Kopie, Freiheit der Forschung versus Open Access sowie die Verschmelzung von Google und Open Access zu einem gemeinsamen Feind auch von vielen Unterzeichnern selbst kritisch gesehen wird.
Tatsächlich mag der Heidelberger Appell mit seinen starken und unversöhnlichen Thesen wichtig gewesen sein, um in den aktuellen Debatten mit Getöse auch die (im Medienverbund ansonsten bereits zu schwachen?) Stimmen der Literaten und Literaturwissenschaftler erklingen zu lassen. Wohin aber soll uns das in the long run führen? Schließlich beschäftigt uns alle schon in der Gegenwart nicht die Frage, ob wir die Buchkultur oder die digitalen Medienangebote nutzen, sondern wie wir diese beiden Optionen sinnvoll miteinander verbinden bzw. nebeneinander stellen. Dies scheint mir die eigentliche und zukunftsträchtige Frage zu sein.
Aus diesem Grunde habe ich für die jüngste Ausgabe der von den Literaturwissenschaftlern und Professor/inn/en Jürgen Link (Dortmund), Rolf Parr (Bielefeld) und Marianne Schuller (Hamburg) herausgegebenen Zeitschrift kultuRRevolution. zeitschrift für angewandte diskurstheorie (Heft 57, Oktober 2009: mit dem Schwerpunkt “Warum kein Widerstand?” ohnehin sehr interessant!) einen längeren Aufsatz mit dem Titel Das Internet und die digitale Kopie als Chance und Problem für die Literatur und die Wissenschaft. Über die Verabschiedung des geistigen Eigentums, die Transformation der Buchkultur und zum Stand einer fehlgeleiteten Debatte geschrieben (zum Download des Aufsatzes als PDF bitte auf den Aufsatztitel klicken! Ich danke David Link für die grafische Gestaltung!). Darin unternehme ich – vor dem Hintergrund des historischen und medientheoretischen Wissens der kulturwissenschaftlichen Germanistik – den Versuch, die Buchkultur und die digitale Welt in ihren Stärken und Schwächen miteinander zu versöhnen und die durch den Heidelberger Appell evozierte dichotomische Debatte zu differenzieren. Konkret versuche ich zu zeigen,
- warum der Heidelberger Appell eine überfällige Debatte verhindert;
- warum Medienumbrüche schon immer ein diskursives Ereignis waren und die aktuellen Debatten um das Internet im historischen Rückblick auf die Durchsetzung des Buchzeitalters gar nicht so neu sind;
- dass der Begriff des ‘geistigen Eigentums’ heute obsolet ist und nur noch als rhetorischer Kampfbegriff genutzt wird;
- inwiefern Buchverlage, Wissenschaftler und ‚Geistesaristokraten’ (auch) als Besitzstandswahrer agieren;
- dass der Kampf gegen die Vorherrschaft Googles notwendig ist;
- warum ein neues Urheberrecht und Open Access wichtig sind;
- welche Chancen und Probleme das Internet und die digitale Kopie für die Literatur und die Wissenschaft mit sich bringen.
Die historischen Betrachtungen und die Differenzierung der Gegenwart münden schließlich in einen Kulturrevolutionären Appell, benannt nach dem Publikationsort und dem erhofften Effekt des Beitrags, der wie folgt aussieht:
“Kulturrevolutionärer Appell. Für eine Nutzung der digitalen Publikationsmöglichkeiten und die produktive Koexistenz von Buchkultur und Internet
Downloads: Die Erfindung des geistigen Eigentums. Ein Vortrag zur aktuellen Debatte um das Urheberrecht
Im August 2008 verfasste ich einen Abstract für einen Vortrag über das Verhältnis von Bildung und Urheberrecht um 1800, den ich auf einer Konferenz der altehrwürdigen Leuvener Universität zum Thema Matters of State: Bildung and Literary-Intellectual Discourse in the Nineteenth Century halten wollte. Damals ahnte ich noch nicht, dass die deutschen Feuilletons und die Geisteswissenschaften heute – ausgehend vom sog. Heidelberger Appell vom März 2009 – in heftigste Auseinandersetzungen über die Bewahrung versus Modifikation des Urheberrechts, die Möglichkeiten versus Probleme des Internets und das Ende versus die Transformation der Gutenberg-Galaxis eingetreten wären. Wie erfreulich, dass wissenschaftliche Vorträge manchmal eine aktuelle Relevanz erhalten können – und dass meine Beschäftigung mit einem der ‘Erfinder’ des ‘geistigen Eigentums’ und somit indirekt des Urheberrechts, Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), einen direkten Beitrag zur Debatte liefern kann.
Meinen 26minütigen Vortrag habe ich am 24. April 2009 in Leuven gehalten, er kann als
- Audiodatei “Die Erfindung des geistigen Eigentums” (25 MB, *.mp3) oder
- Videodatei “Die Erfindung des geistigen Eigentums” (218 MB, *.avi)
unter einer eingeschränkten Creative Commons Lizenz herunter geladen und gerne auf dieser Seite kommentiert werden.
Der Vortrag zeigt, dass man es sich zu leicht macht, wenn man angesichts der sich radikal wandelnden Medienverhältnisse unter Negierung der digitalen Möglichkeiten einfach für die Beibehaltung des rechtlichen und medialen Status quo wirbt. Noch problematischer wird es zudem, wenn man sich auf Fichte als den scheinbaren intellektuellen Garanten eines Beweises der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (bzw. heute ihrer Digitalisierung) beruft. Sowohl bei Fichte als auch in den aktuellen Debatten um das Urheberrecht ist immer alles komplizierter als man zunächst glauben mag. Aus meiner Fichte-Lektüre leite ich u.a. die folgenden drei Ergebnisse ab:
Tipp: “Digitale Notizen” von Dirk von Gehlen
Das Blog des jetzt.de-Chefs Dirk von Gehlen, ohne dessen freundschaftliche Unterstützung auch dieses Blog kaum existierte (Nochmals danke!), steht unter dem Titel Digitale Notizen. Es sind jedoch mehr als bloße Notizen, die Freund und Kollege Dirk von Gehlen uns präsentiert: neben zahlreichen Fundstücken aus den Bereichen Musik, Literatur und Sport beschäftigt er sich intensiv mit dem Verhältnis von Netzkultur und Zeitung. Innerhalb des aktuellen Medienwandels serviert er höchst interessante Reflexionen zur Bedeutung des Mediums Internet und vor allem zum daraus resultierenden Wandel unseres Begriffs von geistigem Eigentum. Dies mögen einige Zitate belegen, die er programmatisch auf seinem Blog präsentiert:
Cory Doctorow:
Kopieren wird immer leichter. Wenn man Kunst macht, die nicht kopiert werden soll, dann tut man etwas, das von Natur aus anachronistisch ist. Continue reading