Im August 2008 verfasste ich einen Abstract für einen Vortrag über das Verhältnis von Bildung und Urheberrecht um 1800, den ich auf einer Konferenz der altehrwürdigen Leuvener Universität zum Thema Matters of State: Bildung and Literary-Intellectual Discourse in the Nineteenth Century halten wollte. Damals ahnte ich noch nicht, dass die deutschen Feuilletons und die Geisteswissenschaften heute – ausgehend vom sog. Heidelberger Appell vom März 2009 – in heftigste Auseinandersetzungen über die Bewahrung versus Modifikation des Urheberrechts, die Möglichkeiten versus Probleme des Internets und das Ende versus die Transformation der Gutenberg-Galaxis eingetreten wären. Wie erfreulich, dass wissenschaftliche Vorträge manchmal eine aktuelle Relevanz erhalten können – und dass meine Beschäftigung mit einem der ‘Erfinder’ des ‘geistigen Eigentums’ und somit indirekt des Urheberrechts, Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), einen direkten Beitrag zur Debatte liefern kann.
Meinen 26minütigen Vortrag habe ich am 24. April 2009 in Leuven gehalten, er kann als
- Audiodatei “Die Erfindung des geistigen Eigentums” (25 MB, *.mp3) oder
- Videodatei “Die Erfindung des geistigen Eigentums” (218 MB, *.avi)
unter einer eingeschränkten Creative Commons Lizenz herunter geladen und gerne auf dieser Seite kommentiert werden.
Der Vortrag zeigt, dass man es sich zu leicht macht, wenn man angesichts der sich radikal wandelnden Medienverhältnisse unter Negierung der digitalen Möglichkeiten einfach für die Beibehaltung des rechtlichen und medialen Status quo wirbt. Noch problematischer wird es zudem, wenn man sich auf Fichte als den scheinbaren intellektuellen Garanten eines Beweises der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (bzw. heute ihrer Digitalisierung) beruft. Sowohl bei Fichte als auch in den aktuellen Debatten um das Urheberrecht ist immer alles komplizierter als man zunächst glauben mag. Aus meiner Fichte-Lektüre leite ich u.a. die folgenden drei Ergebnisse ab:
Erstens konnte gezeigt werden, dass die Erfindung des geistigen Eigentums bei Johann Gottlieb Fichte auf der Unterscheidung von frei flottierenden, kommunizierten Gehalten von Büchern einerseits und einem nicht-kommunizierbaren Spezialwissen einer als ‘Black Box’ zu denkenden Autorfigur andererseits basiert. Aus einer literaturtheoretischen Perspektive der Gegenwart ist diese Unterscheidung obsolet, spätestens seit Roland Barthes und Michel Foucault Ende der 1960er Jahre programmatisch den Tod bzw. die Relativierung der Autorfigur bzw. -funktion ausgerufen haben. […] Es kann also bezweifelt werden, ob sich das ‘geistige Eigentum’ heute überhaupt noch begründen lässt – der Rechtswissenschaftler Peter Badura beschreibt dieses Konzept ohnehin als ‘eine überpositive Rechtsidee […] aus der Mottenkiste der Rechtsgeschichte’. Die Garantien des aktuellen Urheberrechtes könnten auch als Schutzrechte materiellen persönlichen Eigentums gesichert werden.
Zweitens hatte schon Fichte mit der eindeutigen Unterscheidung zwischen einem illegalen Plagiat und einer eigenständigen Adaption seine Schwierigkeiten […]. Daneben kam Fichte bereits zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass die Kopie eines Kunstwerks von einem Medium in ein anderes keine Verletzung des geistigen Eigentums bedeuten würde […].
Drittens konnte in der Auseinandersetzung mit Fichtes Bildungskonzept gezeigt werden, dass er sich in der Debatte um eine ‘neue Universität’ vehement für die offensive Nutzung neuer medialer Techniken eingesetzt und gegen die bloße Herrschaftssicherung unter Beibehaltung der alten akademischen Strukturen gewandt hat. […]
Viel Freude mit dem Vortrag! Mehr zur Debatte aus literaturwissenschaftlicher Sicht folgt bald an dieser Stelle!
Pingback: Digitale Notizen » Blog Archive » Die Erfindung des Urheberrechts